Civey unterstützt Forschung zur Mitberücksichtigung unentschlossener Wählerinnen und Wähler

Wie können Unentschlossene vor Wahlen angemessen in Umfragen berücksichtigt werden? Dieser Frage widmen sich Prof. Dr. Thomas Augustin und Dominik Kreiß von der LMU München. Unterstützt wurden sie dabei von Civey. In drei Wellen wurde vor der Bundestagswahl 2021 eine neue Erhebungsform eingesetzt, bei der noch unentschlossene Wählerinnen und Wähler explizit angeben konnten, zwischen welchen Parteien sie schwanken. Die Gruppe der Unentschlossenen wurde auf diese Art nicht, wie sonst üblich, von Vorwahlbefragungen ausgeschlossen.

Mit diesen zusätzlichen Informationen konnten unter anderem Erkenntnisse über die unentschlossenen Wählergruppen, ihre Entscheidungsprozesse sowie die politische Landschaft gewonnen werden. Die Daten zeigen beispielsweise, dass sich die Unentschlossenen hinsichtlich ihrer sozio-demographischen Eigenschaften von den Entschlossenen unterschieden. Darüber hinaus konnten verlässliche Prognosen zu möglichen Koalitionen getroffen werden.

Die spannenden Forschungsergebnisse sind hier einsehbar:

220620 Verlässlichkeit Daten Civey Zeichenfläche 1 Kopie 12 Im Bild zu sehen sind Dominik Kreiß und Prof. Dr. Thomas Augustin (v.l.n.r.) von der LMU München.

Interview mit Prof. Dr. Thomas Augustin und Dominik Kreiß

Wie würden Sie Ihre Forschungsergebnisse in wenigen Worten zusammenfassen?

Thomas Augustin: Wir konnten nachweisen, dass Personen, die zwischen bestimmten Parteien unentschieden sind, sich in ihren soziodemografischen Eigenschaften von Personen unterscheiden, die sich bereits für eine Partei entschieden haben. Wenn jemand bspw. zwischen SPD und Grünen unentschieden ist, ist das eigentlich als eigene politische Position zu bewerten – diese Person ist kein halber Grünen- oder halber SPD-Wähler. Zweitens konnten wir die Prognose zu möglichen Koalitionen präzisieren. Um das zu veranschaulichen: wenn jemand zwischen CDU und FDP abwägt, ist das trotzdem auf alle Fälle eine Stimme für eine Schwarz-Gelbe Koalition. Diese Information fällt aber unter den Tisch, wenn man die “unentschlossenen Wähler” nicht betrachtet.

Dominik Kreiß: Es lohnt sich also, die Unentschiedenen zu berücksichtigen. Von einer Person zu wissen, zwischen welchen Parteien sie schwankt, hat einen hohen Informationsgehalt. Es handelt sich um verschiedene Gruppen. So sind zum Beispiel die Menschen, die zwischen SPD und Grünen unentschieden sind, tendenziell eher jünger als die Stammwähler der SPD. Diese Gruppen liefern also neue Erkenntnisse über die politische Landschaft, und es handelt sich dabei auch um einen relevanten Teil der Bevölkerung.

Welche Vorteile hat die Datenerhebung von Civey für Ihr Projekt?

Augustin: “Unentschlossene Wähler” sind zwar in der politischen Diskussion sehr präsent, aber in der Umfrageforschung werden kaum präzise Daten zu ihnen erhoben. An dieser Stelle hat Civey uns die Möglichkeit gegeben, die Unentschlossenen zu fragen, zwischen welchen Parteien die Menschen in Ihrer Wahlentscheidung vor der Bundestagswahl schwankten. Die Ergebnisse dieser Frage sind deshalb wichtig, da Menschen typischerweise nicht zwischen allen Parteien unentschieden sind, sondern nur zwischen zwei oder drei Parteien. Letztlich war Civeys innovative Ausrichtung und Offenheit gegenüber neuen methodischen Ideen ausschlaggebend für die Zusammenarbeit mit Civey.

Welche Innovation bietet Ihre Forschung mit den Civey Daten?

Augustin: Wir konnten mit der Forschung anfangen, ein Henne-Ei-Problem zu lösen. Da es kaum Daten zu der Frage der “unentschlossenen Wähler” gab, gab es auch wenig Analysemethoden, die speziell darauf fokussiert waren. Und deswegen ist die Datenlage dazu bislang sehr schlecht, und so fort. Ich denke, wir konnten dazu beitragen, diese Problematik zu durchbrechen.

Kreiß: Die Innovation beginnt bereits bei der Fragestellung und dem Forschungsschwerpunkt auf “unentschlossenen Wählern”, die eigene Eigenschaften aufweisen. Mit der Datenerhebung konnten wir dann nicht nur unsere Methodik weiterentwickeln, sondern zu einem gewissen Teil auch testen.

Wie können diese Daten in Zukunft genutzt werden?

Augustin: Zunächst haben wir nun einen “Proof of Concept” und konnten mit Civey zeigen, dass diese Form der Datenerhebung auch praktisch durchführbar ist. Die Forschung eröffnet ein neues Feld an Datenstrukturen, die methodisch unglaublich viele Anknüpfungspunkte bieten, egal ob man die Daten eher klassisch analysiert oder auch Methoden des Machine Learnings verwendet. Gerne stehen wir hier auch für methodische Weiterentwicklungen und Diskussionen, basierend auf dem Datensatz, bereit.

Beruflicher Werdegang

Zu Thomas Augustin: Thomas Augustin ist Professor für Statistik an der LMU München. Dort leitet er die Arbeitsgruppe ‚Method(olog)ische Grundlagen der Statistik und ihre Anwendungen‘ und ist Studiendekan der Studiengänge in Statistik und Data Science. Er forscht zu modernen Konzepten der Verallgemeinerten Unsicherheitsmodellierung und ihrer Anwendung in der statistischen Modellierung, Entscheidungstheorie und im Machine Learning. Dabei werden Methoden entwickelt, welche die jeweilige Datenqualität in der Analyse adäquat berücksichtigen und dadurch zuverlässige Aussagen auch unter komplexer Unsicherheit erlauben.

Zu Dominik Kreiß: Nach dem konsekutiven Masterabschluss in Statistik an der LMU München forscht Dominik Kreiß dort seit 2019 im Rahmen seiner Promotion zu komplexer Unsicherheit unter anderem in Vorwahlbefragungen. Der Fokus liegt hierbei auf der Entwicklung neuer statistischer und Machine Learning Verfahren, welche diese Art der Unsicherheit angemessen berücksichtigen und in den Ergebnissen kommunizieren.

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