ESG bleibt relevant – Diversität verliert jedoch an Priorität

Eine neue Unternehmer-Studie der TU Dresden und Civey zeigt: Trotz politischer Debatten um ESG bleibt die Themen ökologische und gesellschaftliche Verantwortung von hoher Relevanz für Unternehmen. 44 Prozent der befragten Entscheider:innen halten ESG für wichtig. 38 Prozent der Befragten rechnen sogar mit einer weiteren Zunahme der Relevanz von Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten im jeweiligen Unternehmen. Dabei geraten allerdings gesellschaftspolitische Themen wie Diversität und demokratische Teilhabe zunehmend aus dem Fokus.
Kostendruck statt Überzeugung
In wirtschaftlich herausfordernden Zeiten dominieren Kosteneffizienz und Prozessoptimierung die Unternehmensstrategien. Dieser Pragmatismus prägt auch die ESG-Agenda: Unternehmen priorisieren Maßnahmen wie Energieeffizienz, CO₂-Reduktion und faire Arbeitsbedingungen. Gesellschaftspolitische Aspekte wie Diversität, Minderheitenschutz oder Korruptionsprävention spielen hingegen eine untergeordnete Rolle.
Prof. Dr. Markus Scholz, Initiator der Studie, betont den Pragmatismus der Unternehmen:
Trotz der ideologisch motivierten Störgeräusche der Trump-Administration lassen sich deutsche Top-Manager und Managerinnen beim Thema ESG nicht in einen Kulturkampf hineinziehen, sondern handeln weiterhin pragmatisch. Der Klimawandel, der Fachkräftemangel und die Bedrohung der offenen Gesellschaft sind real. Diese Themen auch weiterhin aktiv zu adressieren, ist einfach gutes Management.
Bei der Bewertung des Erfolgs der ESG-Kriterien für ihr Unternehmen steht für die Befragten die optimierte Energieeffizienz mit 41 Prozent an erster Stelle, gefolgt von den Investitionen in erneuerbare Energien mit 29 Prozent. Jeder Vierte betont zudem eine gestärkte Unternehmensethik (25%) sowie höhere Transparenz (23%). Nur rund jedes zehnte Unternehmen profitiert hingegen von nachhaltigen Lieferketten (11%), gestärkten Antidiskriminierungsmaßnahmen (12%), Aktionen zum Schutz der Demokratie (12%) oder Diversität (14%).
Die liberale Demokratie ist schützenswert. Aber nicht Unternehmensaufgabe?
Die gesellschaftlichen Umbrüche und der Druck auf die liberale Demokratie machen auch vor den Unternehmen nicht Halt. 60 Prozent der Entscheiderinnen und -entscheider betrachten den Schutz der liberalen Demokratie als wichtig für die Zukunft des Unternehmens. Allerdings sehen lediglich nur 35 Prozent es jedoch als richtig an, sich öffentlich für Demokratie und Minderheitenrechte auszusprechen und nur jede:r vierte Entscheider:in sieht in diesem Engagement eine Chance für den Unternehmenserfolg. 39 Prozent erwarten hingegen ein unternehmerisches Risiko in einer solchen öffentlichen Positionierung. Innerhalb von Unternehmen entsprechend wenig getan. Nur 23 Prozent der Befragten geben an, dass innerhalb ihres Unternehmens Maßnahmen zum Schutz von Minderheiten oder der liberalen Demokratie geplant.
Trotz allem Pragmatismus braucht es auch endlich eine fundamentale Auseinandersetzung mit Fragen zur Rolle und zur politischen Verantwortung von Unternehmen in der Gesellschaft. Unternehmensführer:innen sollten sich insbesondere damit befassen, wie sie dabei helfen können, die liberale Demokratie zu schützen. Wir wollen in Deutschland keine US-amerikanischen Verhältnisse aufkommen lassen.
Diversitätsprogramme vor dem Bedeutungsverlust
Deutsche Unternehmen mit Beziehungen in den US-amerikanischen Markt stehen zudem von Seiten der Trump-Regierung verstärkt unter Druck, ihre Diversitäts- und Inklusionsprogramme zu stoppen. Befragt man deutsche Entscheiderinnen und Enscheider nach ihrer Perspektive auf solche Förderprogramme, zeigt sich auch hierzulande eine große Kritik daran. Nur 11,5 Prozent der Befragten halten die Themen Diversität und Inklusion generell für wichtig. Jeder Vierte (24,5 %) sagt sogar, dass diese Kriterien zu hoch priorisiert wurden im Unternehmen. Nur 6 Prozent sind zudem der Ansicht, dass Diversität und Inklusion noch stärker an Relevanz gewinnen werden.
Die geringe Unterstützung für Diversitätsprogramme ist kein Rückschritt – sie war nie flächendeckend stark. Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel bieten diese Programme jedoch strategisches Potenzial, das noch zu selten genutzt wird.“
Pressematerial:
Über die Studie: Civey hat für die Technische Universität Dresden vom 10.02. bis 03.03.2025 online 1.500 privatwirtschaftliche Entscheidungstragende in Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern befragt. Die Ergebnisse sind aufgrund von Quotierungen und Gewichtungen repräsentativ unter Berücksichtigung des statistischen Fehlers von 4,4 bis 4,8 Prozentpunkten beim jeweiligen Gesamtergebnis. Weitere Informationen zur Methodik finden Sie hier.
Über Civey: Civey steht für Citizen Survey. Das 2015 gegründete Unternehmen hat die Markt- und Meinungsforschung grundlegend verändert: Als Technologieunternehmen liefert Civey repräsentative Momentaufnahmen und Monitorings, die Unternehmen, unserer Gesellschaft und jedem Einzelnen dabei helfen, Märkte, Trends und Positionen besser zu verstehen. Das Unternehmen erhebt und analysiert Daten fortlaufend in Echtzeit – und das an der Schnittstelle zwischen klassischer Statistik und moderner Künstlicher Intelligenz.
Über den Initiator der Studie: Prof. Dr. Markus Scholz ist Professor für Responsible Management an der Technischen Universität Dresden und langjähriger Visiting Researcher am INSEAD, eine der renommiertesten Business Schools der Welt. Zudem ist er wissenschaftlicher Koordinator des Arbeitskreises Wirtschaftsethik der Schmalenbach Gesellschaft und berät zahlreiche Unternehmen und NGOs. Seine Expertise findet regelmäßig Eingang in nationale und internationale Medien wie ARD, ARTE, Die Presse, Der Standard, Die Zeit, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Forbes, Handelsblatt, NZZ, ORF, Der Spiegel und Wirtschaftswoche.