10 Jahre Civey

Online-Umfragen in Echtzeit: Die Civey Methodik im Interview mit Prof. Dr. Oliver Serfling

In unserem Interview spricht Prof.Dr. Oliver Serfling darüber, welche Herausforderungen es bei der Entwicklung einer rein online-basierten, in Echtzeit auswertbaren Umfragemethode gab – und warum der Zeitpunkt für die Gründung von Civey aus seiner Sicht genau richtig war. Er erläutert, welche Rolle Transparenz, Datenveröffentlichung und neue Qualitätsstandards in Zeiten einer „credibility crisis“ der Wissenschaft spielen. Zudem geht es um den Umgang mit Kritik an Online-Methoden, die Verantwortung der Wissenschaft in der öffentlichen Meinungsbildung und seinen Rat an junge Forschende, die eigene, forschungsbasierte Unternehmen gründen wollen.

Oliver Serfling
Prof. Dr. Oliver Serfling ist Mitgründer und Chief Scientific Advisor von Civey und hat als promovierter Volkswirt und Experte für Statistik und Umfrageforschung die Methodik von Beginn an maßgeblich geprägt. An der Hochschule Rhein-Waal leitet er den Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Entwicklungsökonomik und verbindet wissenschaftliche Perspektiven mit praktischer Anwendung in der digitalen Meinungsforschung.



Interview:

Hallo Oliver. Was waren aus deiner Sicht die größten Herausforderungen in der Anfangszeit von Civey?

Oliver:

Vor der eigentlichen Gründung des Unternehmens haben wir uns ja intensiv mit der methodischen und technischen Machbarkeit einer rein online-basierten Umfrage und deren Ergebnisanalyse in Echtzeit auseinandergesetzt. Mit dem Entschluss zur Gründung eines Unternehmens kamen dann aber sehr schnell unzählige betriebswirtschaftliche Fragen auf den Tisch, welche der Aufmerksamkeit des Managements bedurften. Die richtige Allokation der Management-Attention war hier sicherlich die größte Herausforderung. Ich war froh, dass ich als außenstehender Gründer ohne Managementaufgaben hier eine beobachtend-beratende Funktion einnehmen konnte.

Rückblickend: Was hättest du aus heutiger Sicht gerne schon damals gewusst?

Oliver:

Naja, man wünscht sich sicherlich immer die Marktentwicklung im Voraus zu kennen, das wäre Gold wert. Civey kam aber eigentlich die allgemeine Entwicklung und die in der Umfrageforschung sehr entgegen: die Internetnutzung der Bevölkerung überholte die Telefonnutzung. Immer mehr Institute setzten immer stärker auf Online-Erhebungen und auch von der Wissenschaft wurden statistische Verfahren wie die des MRP (multilevel regression and poststratification) weiterentwickelt, die Civey direkt implementieren konnte. Wäre das Potenzial der Methode zu der Zeit der Gründung ersichtlicher gewesen, wäre die Konkurrenz wahrscheinlich sehr viel größer gewesen. Durch unseren forschungsbasierten Ansatz hatten wir stets die entscheidungsrelevanten Informationen erforscht und den Eindruck, dass es der richtige Zeitpunkt war ein solches Unternehmen zu gründen.

Civey hat sich ja besonders dadurch einen Namen gemacht, dass die Ergebnisse sofort den Teilnehmenden angezeigt werden. Welche Rolle spielt Transparenz bei der Veröffentlichung von Studienergebnissen?

Oliver:

In der Wissenschaft gibt es seit Jahren einen Diskurs über eine “credibility crisis”, die sich daran manifestiert, dass ein Gutteil von Studien sich nicht replizieren lassen und sich somit der Forderung nach intersubjektiver Überprüfbarkeit entziehen. In der Folge bilden sich neue Standards der wissenschaftlichen Qualitätssicherung heraus, zu denen u.a. die Veröffentlichung der verwendeten Daten gehört. Im Lichte dessen war es uns bei Civey von Anfang an wichtig, größtmögliche Transparenz bei Methoden und Ergebnissen walten zu lassen. So haben wir frühzeitig die Civey Methode in einem Whitepaper veröffentlicht.

Transparenz war bei Civey allerdings nie reiner Selbstzweck. Wir glauben, dass wir damit die intrinsische Motivation bei den Befragten maximal halten können. Denn alle Umfrageteilnehmenden erhalten nach der Beantwortung einer Frage Einblick auf das aktuelle Umfrageergebnis. Dies ist aus unserer Sicht das beste Mittel, um viele Teilnehmende und wahrheitsgetreue Antworten zu erhalten. Zudem sehen wir die Veröffentlichung der Daten als wichtigen Beitrag für unsere Demokratie. Denn wir bieten den Teilnehmenden einen Kompass, wo wir als Gesellschaft stehen. Öffentlich zugängliche Demoskopie-Daten in Echtzeit sind ein großer Mehrwert für unsere Debattenkultur.


Es gab zu Beginn von Civey Vorbehalte an der Methodik. Wie bist du damit umgegangen und welche kritischen Punkte haben dich weitergebracht?

Oliver:

Ein kritischer Diskurs bezüglich der Verlässlichkeit der Ergebnisse von rein online-basierten Stichproben war ja von Anbeginn abzusehen. Fast sämtliche Vorbehalte konnten mit einer vertieften Erklärung dessen, was Civey anders macht als damalige andere Online-Befragungen, ausgeräumt werden. Wirklich neu war ja die Anwendung von survey-statistischen Methoden auf online-erhobene Daten in einem live-setting. Dies hat erstmals unfassbar spannende Einblicke auf der Analyseebene ermöglicht. Im Mittelpunkt steht aber immer die Verlässlichkeit und Qualität der Ergebnisse. In dieser Diskussion hätte uns sicherlich eine große Vergleichsstudie zwischen den verschiedenen Erhebungsverfahren und Instituten weitergebracht. Dies hat allerdings nur in sehr kleinem Rahmen stattgefunden.

Welche Verantwortung trägt Wissenschaft in der öffentlichen Meinungsbildung?

Oliver:

In einer idealen Welt sollte sich die Meinungsbildung ja weitestgehend an wissenschaftlicher Erkenntnis orientieren. Ich glaube, die Wissenschaftscommunity ist sich ihrer daraus erwachsenden Verantwortung sehr bewusst und hat deshalb Qualitätssicherungsmechanismen entwickelt. Leider müssen wir feststellen, dass auf dem Meinungsmarkt evidenzbasierte Erkenntnis mit algorithmisch verstärktem Fake und Desinformationskampagnen immer gleichwertiger konkurrieren muss. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung. Civey hat deshalb auch den Anspruch, Meinungsbildungsprozesse transparenter, objektivierbarer und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Was rätst du jungen Wissenschaftler:innen, die forschungsbasierte Unternehmen gründen möchten?

Oliver:

Tut es! Es gibt wahnsinnig viel zu tun und ihr werdet keinen einzelnen Tag davon bereuen.

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