Interview mit Janina Mütze: So blickt der Osten in die Zukunft
Das Civey Transformationsbarometer 2025 – Janina Mütze im Interview
Wie zukunftsfähig ist die ostdeutsche Wirtschaft – und was braucht es für echten Fortschritt? Beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum (OWF) 2025 in Bad Saarow hat Civey Gründerin Janina Mütze das neue Transformationsbarometer vorgestellt. Die repräsentative Studie zeigt, wie Entscheiderinnen und Entscheider vor Ort ihre Lage einschätzen – und woran es aus ihrer Sicht hapert. Im Interview spricht Janina Mütze über Eigenoptimismus, politische Verantwortung und die Frage, warum Vertrauen für Transformation wichtiger ist als jede Konjunkturprognose.
Ein Gespräch mit Civey Gründerin Janina Mütze über das Transformationsbarometer, Vertrauen in die Politik und Zukunftsperspektiven für den Osten.
Janina, du hast beim OWF 2025 das Transformationsbarometer für Ostdeutschland vorgestellt. Was war für dich persönlich der wichtigste Impuls aus den Ergebnissen?
Janina Mütze:
Für mich war besonders prägend zu sehen, wie sehr die ostdeutsche Wirtschaft zwischen Eigenoptimismus und Umfeldpessimismus schwankt. Die Unternehmen sind mit sich selbst und ihrer aktuellen Entwicklung durchaus zufrieden – aber das Vertrauen in die gesamtwirtschaftliche Lage und die politischen Rahmenbedingungen ist gering. Das zeigt, wie viel Potenzial es gibt, aber auch, wie stark es von externen Faktoren abhängt, ob daraus auch Zuversicht entsteht.
Die Studie zeigt eine interessante Diskrepanz: Viele Unternehmerinnen und Unternehmer sehen ihre eigene Lage positiv, bewerten aber das wirtschaftliche Umfeld kritisch. Wie erklärst du dir diesen Widerspruch?
Janina Mütze:
Wir sehen hier ein Phänomen, das auch in anderen Branchen und Regionen vorkommt: Menschen haben oft einen realistischeren Blick auf ihr direktes Umfeld als auf das große Ganze. Gleichzeitig erleben sich gerade Unternehmer handlungsfähig. Sie glauben daran, dass sie selbst Dinge nach vorne bringen können. Aber natürlich erleben sie die multiplen Krisen durch politische Unsicherheiten, Fachkräftemangel und Energiepreise. Da kann der Gedanke aufkommen: “Ich selbst stecke die Krisen mit Mühe und Not weg, wie sollen das all’ die anderen Firmen im Umkreis nur schaffen?”
Als eine der größeren Herausforderungen nennen viele Befragte die politische Radikalisierung. Hat dich das überrascht – und was sagt das über den Zustand unserer Gesellschaft?
Janina Mütze:
Dass die politische Radikalisierung unter den Top-Drei-Herausforderungen genannt wird, hat mich in der Deutlichkeit tatsächlich überrascht – und zugleich sehr nachdenklich gestimmt. Es zeigt, dass viele Unternehmerinnen und Unternehmer nicht nur ökonomisch denken, sondern auch gesellschaftliche Stabilität als Standortfaktor begreifen. Wenn Vertrauen in Institutionen verloren geht oder extreme politische Kräfte an Einfluss gewinnen, wirkt sich das unmittelbar auf Investitionen, Fachkräftebindung und Zukunftsplanung aus. Gleichzeitig sehen wir auch hier die Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung. Der hohe Wert von 40% der Unternehmer, die politische Radikalisierung als Herausforderung für ostdeutsche Unternehmen sehen, steht in keinem Verhältnis zu dem Anteil der Unternehmer, die das Thema im eigenen Betrieb als Herausforderung sehen: das sind gerade einmal 12%.
Erneuerbare Energien, Mikroelektronik, Tourismus: In diesen Bereichen sehen viele Unternehmen Wachstumspotenzial. Wie gut ist Ostdeutschland deiner Meinung nach darauf vorbereitet, diese Chancen zu nutzen?
Janina Mütze:
Die Region bringt in vielen dieser Zukunftsbranchen hervorragende Voraussetzungen mit – von der Infrastruktur über wissenschaftliche Kompetenz bis hin zu engagierten Unternehmerinnen und Unternehmern. Was aber oft fehlt, ist Tempo. Viele Betriebe sind bereit, neue Wege zu gehen, stoßen aber auf bürokratische Hürden oder schleppende Genehmigungsverfahren. Damit Ostdeutschland wirklich zum Innovationsmotor wird, braucht es aus Sicht der Unternehmer gezielte Investitionen, Förderinstrumente – und eine politische Haltung, die Chancen ermöglicht statt bremst.
Die Erwartungen an die Bundesregierung sind hoch – insbesondere beim Thema Bürokratieabbau. Wo müsste die Politik deiner Meinung nach jetzt konkret ansetzen?
Janina Mütze:
Ein ganz zentraler Punkt ist die Beschleunigung von Verfahren. Ob beim Ausbau von Produktionsstätten, bei Investitionen in erneuerbare Energien oder bei der Fachkräftezuwanderung: Unternehmen brauchen Planungssicherheit und weniger administrative Hürden. Bürokratieabbau darf nicht nur ein Schlagwort sein – es muss konkret spürbar werden. Dazu gehört auch, dass Förderprogramme einfacher zugänglich und transparenter gestaltet werden.
Nur 38 Prozent trauen der neuen Regierung wirksame wirtschaftspolitische Impulse zu. Was müsste passieren, damit sich das Vertrauen in die Politik wieder stärkt?
Janina Mütze:
Vertrauen entsteht nicht durch Worte, sondern durch konsequentes Handeln und erlebbare Erfolge. Wenn Unternehmen erleben, dass Entscheidungen schnell, nachvollziehbar und verlässlich getroffen werden, stärkt das auch das Zutrauen in die politischen Institutionen. Dazu gehört auch eine ehrliche Kommunikation: Es geht nicht darum, immer gute Nachrichten zu überbringen, sondern realistisch, klar und lösungsorientiert zu agieren. Die Wirtschaft will Partner auf Augenhöhe.
Civey steht für datenbasierte Einblicke direkt aus der Wirtschaft. Welche Rolle können solche Studien bei Transformationsprozessen spielen – jenseits von kurzfristigen Stimmungsbildern?
Janina Mütze:
Daten machen sichtbar, was zwischen Bauchgefühl und politischer Wahrnehmung oft verloren geht. Gerade in Transformationsprozessen helfen sie, Prioritäten zu erkennen, Veränderungen zu messen und Entscheidungen besser zu begründen. Unser Transformationsbarometer zeigt nicht nur Momentaufnahmen, sondern macht auch langfristige Herausforderungen und Chancen transparent. Es ist damit ein Werkzeug, um Wandel mit Fakten zu gestalten.
Worauf kommt es aus deiner Sicht jetzt an?
Janina Mütze:
In unsicheren Zeiten ist Verlässlichkeit ein zentraler Standortfaktor. Unternehmen brauchen Klarheit, worauf sie sich einstellen können – bei Steuern, Energie, Arbeitsrecht oder Digitalisierung. Wenn dieses Vertrauen fehlt, werden Investitionen zurückgehalten, Standorte in Frage gestellt und junge Menschen wandern ab. Politik muss deshalb beweisen, dass sie verlässlich gestalten kann. Das ist die Grundlage für wirtschaftliche Resilienz.
Abschließend: Wenn du in einem Jahr auf das Transformationsbarometer zurückblickst – was würdest du dir wünschen, was sich bis dahin verändert hat?
Janina Mütze:
Ich wünsche mir, dass die Unternehmen nicht nur Potenzial sehen, sondern auch erleben, dass sich etwas bewegt – etwa durch weniger Bürokratie, gezielte Investitionen oder gesellschaftliche Debatten, die Mut machen. Das Transformationsbarometer zeigt, wo Unternehmer vor Ort Schwächen sehen. Ihnen wünsche ich, dass Politik weiterhin zuhört und die Herausforderungen mit den Unternehmen gemeinsam anpackt.
Transformation braucht mehr als gute Absichten – sie braucht Vertrauen, Tempo und echte Partnerschaft. Das zeigt unser Transformationsbarometer für Ostdeutschland deutlich. Civey wird die Entwicklung weiter begleiten. Wenn Sie mehr über die Studie erfahren oder datenbasierte Einblicke für Ihr Unternehmen gewinnen möchten, kommen Sie gern auf uns zu.