Einheitsmonitor – Was eint, was trennt uns nach 35 Jahren Wiedervereinigung?
Deutschland – einig Vaterland!? Nach 35 Jahren Deutscher Einheit sprechen und hören wir fast täglich, die Gesellschaft sei tief gespalten. Und nicht selten glauben wir diese Spaltung auch entlang der Linie zwischen dem alten Westen und den „neuen Bundesländern“ im Osten festmachen zu können. Doch was ist da dran? Was trennt uns (noch immer)? Was eint uns? Und wie steht es um die Demokratie?
Anlässlich des Jahrestages der Deutschen Einheit haben wir exklusiv für den Tagesspiegel 10.000 Bürgerinnen und Bürger aus ganz Deutschland befragt. Einige Ergebnisse des „Einheitsmonitors“ ordnen wir hier noch einmal ein.
Zufriedenheit auf hohem, aber sinkenden Niveau
60 Prozent aller Menschen im Land sind aktuell zufrieden mit ihrer persönlichen Lebenssituation. Bemerkenswert: Die Situation stellt sich in Ost wie West sehr ähnlich dar (58% zu 60%). Gleichzeitig sinkt Lebenszufriedenheit seit Jahren und dies bundesweit. So lag diese vor fünf Jahren noch bei 73 Prozent.
Zudem lässt sich ein Pessimismus mit Blick auf die persönliche Zukunft ausmachen. Fast jede:r Zweite (46%) schätzt, dass sich die eigene wirtschaftliche Situation in den nächsten fünf Jahren verschlechtern werde.
Unterschiedliche Wahrnehmung von Benachteiligung
Drei Viertel der Befragten im Osten fühlen sich gegenüber Menschen in Westdeutschland benachteiligt. Geringere Löhne und Vermögen werden als Hauptgrund genannt (74%), gefolgt von schwächeren wirtschaftlichen Strukturen (56%). Fast jede und jeder Zweite in Ostdeutschland gibt außerdem an, dass sich die Benachteiligung in kulturellen Vorurteilen gegenüber Ostdeutschen und wenig Kenntnissen über die ostdeutsche Kultur zeige. Das Ungleichgewicht in politischen Entscheidungen wird von 50 Prozent der Befragten in den neuen Bundesländern als Grund für die empfundene Benachteiligung genannt.
Auffällig: Westdeutsche nehmen die empfundene Benachteiligung deutlich weniger wahr; nur 25 Prozent von ihnen haben den Eindruck, dass Ostdeutsche in gesamtdeutschen gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen gegenüber Westdeutschen benachteiligt werden.
Fortschritte bei Infrastruktur, Defizite im Miteinander
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Beurteilung, ob Ost- und Westdeutschland heute gleichwertige Lebensverhältnisse bieten. Nur jede:r Fünfte aus Ostdeutschland (19%) glaubt dies, rund drei Viertel (72%) hingegen nicht. Fragt man die Westdeutschen, so gibt jede:r Zweite an, die Lebensverhältnisse hätten sich angeglichen, nur 38 Prozent beantworten die Frage mit nein.
Auf die Frage, in welchen Bereichen die Deutsche Einheit am besten gelungen sei, wird die Infrastruktur mit 44 Prozent an erster Stelle genannt, gefolgt von politischer Teilhabe (21%), Wirtschaft (15%) und Bildung (14%). Auf dem letzten Platz: der gesellschaftliche Zusammenhalt (4%).
Wunsch nach mehr regionaler und ostdeutscher Interessenvertretung
57 Prozent der befragten Deutschen sind der Meinung, dass die Interessen ihrer Region in der Bundespolitik nicht ausreichend vertreten werden. Auch hier zeigt sich, dass sich die Ostdeutschen einen noch stärkeren regionalen Blick wünschen. Aber auch im Westen ist es jede:r Zweite.
Ost- wie Westdeutsche sind sich einig, dass die Medien die Lebensrealität in ihrer Region nicht angemessen abbilden.
Befragt man die Menschen danach, ob es ihnen eher wichtig oder eher unwichtig ist, dass entscheidende politische Positionen gleichermaßen von Menschen aus West- und Menschen aus Ostdeutschland besetzt werden, zeigt sich erneut: Fast drei Viertel der ostdeutschen Bürger:innen empfindet es als wichtig – und damit mehr als doppelt so viele wie im Westen (32%). Die Westdeutschen sehen hier keine Repräsentanzlücke.
Der „Einheitsmonitor“ in Medien und Öffentlichkeit
Die Ergebnisse des „Einheitsmonitor“ fanden bundesweit viel Beachtung. Der Tagesspiegel veröffentlichte die zentralen Befunde in einem umfangreichen Datenbeitrag. Robert Ide kommentierte die Ergebnisse im Tagesspiegel und im Berliner Rundfunk, der Focus berichtete sowie auch die Saarbrückener Zeitung.
Im Rahmen der offiziellen Feierlichkeiten in Saarbrücken stellte Sabine Schicketanz, Chefredakteurin der Potsdamer Neuen Nachrichten, die Ergebnisse vor.
Ausblick: Diskussion beim „Tagesspiegel Der Osten“
Am 4. November werden die Ergebnisse des „Einheitsmonitor“ erneut vorgestellt. Bei der Tagesspiegel-Konferenz „Der Osten“ sprechen Journalistin Sabine Schicketanz und Civey Politik-Chef Dr. Florens Mayer.
Hier können Sie sich kostenlos für die digitale Teilnahme anmelden:
Datenbasis
Der Einheitsmonitor basiert auf einer bundesweiten Befragung von 10.000 Personen. Die Ergebnisse wurden regional bis auf Landkreisebene ausgewertet. Die regionalen Ergebnisse sind repräsentativ auf Basis einer modellbasierten, statistischen Methode für kleine Datenräume. Der statistische Fehler liegt bei 2,5 Prozentpunkten (Gesamtergebnis). Weitere Informationen zur Methodik finden Sie hier.