Digitalisierungsstudie: Gewaltiger digitaler Nachholbedarf bei Ärzten, Behörden und Mobilitätsangeboten

06.05.2019

Gewaltiger digitaler Nachholbedarf bei Ärzten, Behörden und Mobilitätsangeboten – Civey und TLGG Consulting beleuchten das digitale Deutschland.

  • In gemeinsamer Umfrage von Civey und TLGG Consulting geben 80,9 Prozent der Befragten an, noch nie mit ihrem Arzt, Therapeuten oder Apotheker per E-Mail, Messenger oder Video-Telefonie kommuniziert zu haben
  • Deutsche sehen größten digitalen Verbesserungsbedarf bei Behörden und Ämtern
  • Trotz neuer Mobilitätslösungen halten 76,6 Prozent der Bevölkerung den Besitz eines Autos noch immer für notwendig – Umweltschutz spielt für die meisten bei der Wahl keine entscheidende Rolle

In einer gemeinsamen Umfrage haben das Markt- und Meinungsforschungsunternehmen Civey und die Berliner Digitalberatung TLGG Consulting rund 5.000 Deutsche zu ihrer Nutzung von und ihrer Einstellung zu digitalen Angeboten befragt. Die Ergebnisse zeigen: In vielen Bereichen sind digitale Lösungen noch immer nicht im Alltag der Menschen angekommen.

Beim Thema Digitalisierung klaffen in vielen Bereichen in Deutschland große Lücken – und die Bemühungen der Politik gehen oft an den Bedürfnissen der Bürger vorbei. Zu diesem Ergebnis kommt die gemeinsame Studie der Berliner Unternehmen. Ihre detaillierten Ergebnisse und Kommentare von Experten aus Startup-Szene, Forschung und Wirtschaft liegen nun vor.

Sie zeigt etwa: Im Gesundheitssektor ist die Digitalisierung bislang kaum bei den Kunden angekommen. 80,9 Prozent der Befragten haben nach eigenen Angaben noch nie mit ihrem Arzt, Therapeuten oder Apotheker per E-Mail, Messenger oder Video-Telefonie kommuniziert. Noch deutlicher sind die Zahlen auf dem Land: Dort liegt die Zahl mit 84,9 Prozent am höchsten – obwohl die Dichte des Gesundheitsangebots niedriger ist als in Ballungsgebieten.

Vielen Ärzten fehle schlicht das Wissen, wie sie digitale Dienstleistungen implementierten, erklärt Gesundheitsexperte Matthias Mirbeth von TLGG Consulting. Dabei seien Ärzte heute längst Teil eines neuen Ökosystems mit aufgeklärteren Patienten und digitalen Lösungen. Doch bislang werde in Deutschland zu wenig über konkrete Produkte und Anwendungen nachgedacht, die Patienten zugutekämen. „Der Druck ist offenbar noch nicht groß genug“, so Mirbeth.

Auch die Debatte um neue Mobilitätslösungen geht an der deutschen Lebensrealität vorbei. So halten 76,6 Prozent der Bevölkerung den Besitz eines Autos noch immer für notwendig. Besonders hoch ist der Bedarf auf dem Land: 89 Prozent der Befragten können sich dort ein Leben ohne Auto nicht vorstellen. Es seien vor allem die Landräte, die den Wandel vorantreiben müssten, sagt Andreas Knie, Verkehrswissenschaftler an der TU Berlin: „Mobilität ist Kommunalpolitik.“ Die Politik in Deutschland sei aber noch immer im alten Denken „ein Bürger, ein Auto“ verhaftet. Sie müsse Anreize schaffen und Time-Sharing-Modelle und Elektroparkplätze stärker fördern, sagt auch Hannes Kunstreich von TLGG.

Die fehlenden Alternativen auf dem Land seien auch ein Problem hinsichtlich des Klimaschutzes, erklärt Verkehrsexperte Knie. „Gerade dort sind die Auslastungsraten besonders niedrig, oft sitzt nur eine Person im Auto.“ Doch die Umfrage zeigt: Die Umweltverträglichkeit spielt vor allem auf dem Land kaum eine Rolle bei der Wahl des Transportmittels. Nur 3,3 Prozent geben das als wichtigstes Kriterium an. In Städten, wo die Auswahl an Angeboten größer ist, haben Umweltkriterien mit 16 Prozent einen höheren Stellenwert.

Besonders groß ist der digitale Nachholbedarf nach Ansicht der Deutschen bei Behörden. 54,9 Prozent der Befragten wünschen sich hier am ehesten einen Ausbau der bestehenden öffentlichen Angebote. 42,2 Prozent geben an, „weniger zufrieden“ oder „gar nicht zufrieden“ mit dem Online-Angebot ihrer Stadt zu sein. 17,5 Prozent haben bislang keinen Gebrauch von digitalen Behördengängen gemacht – auf dem Land sind es 19,1 Prozent. "Die Politik muss zeigen, dass sie nicht nur bei der Republica Reden hält, sondern auch die Verwaltung endlich modern aufstellt", meint Janina Mütze, die Geschäftsführerin und Gründerin von Civey. "Mit digitalen Lösungen können wir notwendige Beiträge für Klimaschutz und Gesundheit leisten - die Menschen müssen jedoch mitgenommen werden."

Über die Befragung:
Das Meinungsforschungsunternehmen Civey hat im Auftrag von TLGG Consulting zwischen dem 13.03 und dem 15.03.2018 rund 5.000 Personen befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Der statistische Fehler der Gesamtergebnisse liegt bei 2,5 Prozent.

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